Zu wenig Zeit fürs Kerngeschäft

Die zusätzlichen Aufgaben, die auf die Schweizer Lehrpersonen die letzten Jahre eingeströmt sind, müssten schleunigst von den Arbeitgebern sprich Bildungs- und Erziehungsdirektionen berücksichtigt werden. Gemäss der LCH-Arbeitszeitstudie 2009 macht nämlich das Unterrichten (inklusive Vor- und Nachbereiten sowie Elternarbeit) nicht ein-mal mehr die Hälfte der Arbeitszeit aus. Den Rest des Pensums verbrauchen Neuerungen, Änderungen, Sitzungen und Administratives. Die Forderung der Beschränkung auf das Kerngeschäft macht darum Sinn. Am meisten Zeit sollten LehrerInnen für die Vorbereitung, Durchführung und Auswertung ihres Unterrichts aufwenden können, sonst läuft etwas schief in unseren Schulen!

Freizeit wird Zeit fürs Kerngeschäft

Diese Schieflage ist jedoch 2013 ein Kennzeichen unserer Schweizer Schule: LehrerInnen haben zu wenig Zeit für das «Kerngeschäft» Unterricht - und sie leiden daran. So ergab die LCH-Arbeitszeitstudie von 2009 gegen-über der Erhebung von 1999 eine Zunahme der durchschnittlichen Arbeitszeit für Lehrpersonen von 7 Prozent. Die oft diskutierte «Burnout-Entwicklung» muss in diesem Licht betrachtet werden. Eine andere Folge dieser Fehlentwicklungen ist die verbreitete Tendenz, nicht mehr Vollzeit zu arbeiten. Im Klartext: Viele Lehrpersonen wenden in ihrer «Freizeit» Zeit für ihr «Kerngeschäft Unterricht» auf.

Worum es ginge

Das Stichwort «Kerngeschäft» weckt aber auch erfreulichere Assoziationen: Vielen Lehrpersonen gelingt es, ihrem Berufsauftrag ihren persönlichen Stempel aufzudrücken. Sie wissen, dass ihre gelebte «Authentizität», ihre eigene «Stimmigkeit» und ihr tägliches Engagement sich positiv für alle Beteiligten auswirken. Das beginnt bei der Auswahl des Stoffes und setzt sich fort beim Umgang mit Unterrichtsstörungen. Nur wenn Lehrpersonen auf Störungen aufrecht, lebendig und echt reagieren, haben sie eine Chance, Gehör bei den «StörerInnen» zu finden.

Das persönliche Kerngeschäft

Ein Primarlehrer äusserte sich so: «Ein Schüler ist laut, ruft drein, stört den Unterricht. Ich bringe ihn irgendwie zum Schweigen, er ist wütend, weil er doch so viel zu sagen hätte. Immer ist er der Laute, der Freche ... Das ist frustrierend, für ihn und für mich. Es geht darum, neue Wege zu finden und neue Muster zu trainieren. Das ist oft anstrengend und kann lange dauern, nur kleine Fortschritte sind zu erkennen. Dennoch ist es ein Prozess, der sich sehr lohnt und der sehr bereichernd sein kann.»

Gerade dieses Bemühen, den störenden Schüler zu verstehen und mit ihm zusammen neue Wege zu finden, zeichnet das «Kerngeschäft» dieses Lehrers aus: Er setzt sich für seine SchülerInnen ein und erlebt so die Genugtuung, diese in persönlicher Hinsicht vorwärtsgebracht zu haben. Am Abend geht er mit positiven Erinnerungen nach Haus. Eine andere Lehrerin antwortet auf die Frage, wie sie im Lehrberuf gesund bleibe, so: «Jeden Tag nehme ich ein schönes Erlebnis mit nach Hause, das hilft über Schauerstunden hinweg. Positives zu sehen, ist wichtig. Ich integriere Dinge in den Unterricht, die mir Spass machen. Mit dieser Optik besuche ich interessante Fortbildungen und versuche, in Bewegung zu bleiben, ständig zu reflektieren. Ich suche mir Anregungen und Bücher, und wenn ich in einer Sackgasse stecke, gebe ich nicht gleich auf.»

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